Die Sternstunde

An einem Mittwoch…

…mitten im November 1995 sass ich zuhause in meinem Büro und starrte – wie schon so oft an die Wand vor mir und auf das gerahmte Geburtstagsgeschenk meiner damaligen Beziehung. Weihnachten stand vor der Tür und ich wollte ihr nun etwas ganz Spezielles schenken. Nichts gewöhnliches, etwas ganz Aussergwöhnliches sollte es sein! Während ich das Bild betrachtete, studierte ich herum, was ich ich ihr schenken könnte und plötzlich hatte ich eine Idee!
Ich könnte ihr doch ein selbst komponiertes Lied, also quasi ein zweiter „Your Song“ schenken und die Grundlage dafür sollte dieses Gedicht liefern. Der Titel sollte schlicht und einfach „forever love“, also „ewigi liebi“ lauten! Und da sie mir dies zu meinem Geburtstag als Gedicht geschenkt hatte, bekam sie es jetzt in Form eines kleinen Liedes zurück. Genau, das war’s. Ja, das war eine gute Idee und Zeit zum Komponieren hatte ich auch gerade.

Ich hob ich den übergrossen Rahmen von der Wand und ging damit zum Klavier im Wohnzimmer. Ich stellte das ganze Bild auf mein Klavier, legte ein Blatt Papier bereit und begann, mich etwas einzuspielen. Das erste, was ich an jedem Klavier mache, ist immer das gleiche: Ich drücke einen C-Dur-Akkord. Gleich danach kommt dann der geliebte F-Dur-Akkord, dann der G-Dur-Akkord. Damit hat sich’s meistens schon. Manchmal kommen auch noch ein paar Moll-Akkorde dazu.

Ich drückte also meinen C-Dur-Akkord und begann darüber nachzudenken, worauf es bei mir ankommen würde, damit ich eines Tages sagen könnte: Ewige Liebe! In meinem Hinterkopf schwirrte Polo Hofers Song „Clint Eastwood“ von der CD „Welcome i dr Sonderbar“ (Sound Service 1994) herum, worin er sagt, dass er ihr die ewige Liebe geben würde, wenn es sie geben würde. Genau! Ich würde sie dir auch geben, nein, noch besser: Ich würde sie dir wünschen, wie du sie mir gewünscht hast!

Dann drückte ich F-Dur und dann G-Dur und summte etwas vor mich hin. Da ich ja mit „bliib da“ schon einmal eine eigene Ballade geschrieben hatte, dachte ich mir, am besten bleibe ich bei der Mundart und nenne diesen Song einfach „ewigi liäbi“, mit „ä“ geschrieben, man will sich ja schliesslich etwas von der Masse abheben. Dennoch fühlte ich mich zu Beginn grausam unwohl mit diesem Songtitel, aber irgendwo musste ich ja anfangen.

Ich wollte eigentlich etwas zu Papier bringen, das textlich so durchdacht ist, wie die Texte bei Büne Huber, der so schön in Metaphern erzählt. Ich liebe seine Lieder, aber jedesmal, wenn ich etwas hervorbringen möchte, war es einfach nur schlicht, geradeaus, direkt und klar.
Ich sass noch immer am Klavier und starrte auf dieses eingerahmte Plakat, auf dem „Forever Love“ stand. Ich dachte darüber nach, worauf es denn wirklich ankäme, wenn man liebt, verliebt ist oder sich sogar die ewige Liebe verspricht. Auf keinen Fall wollte ich ihr die ewige Liebe versprechen, denn ich hatte ganz und gar nicht das Gefühl, dass diese Beziehung „ewig“ halten würde. Dazu waren wir zu verschieden und das wussten wir beide von Anfang an. Und falls wir uns dann einmal trennen, dann könnte ich nur von ganzem Herzen, dass sie ihre ewige Liebe findet. Denn ich werde nicht aufhören zu suchen, bis ich sie gefunden habe. Und wenn es dann soweit ist, kann sie dieses Lied hervornehmen und vielleicht verstehen, worum es gegangen wäre zwischen uns und all den anderen ewig Suchenden.

Das war die Grundidee, die ich mit diesem Lied erzählen wollte. So viel wurde schon über die Liebe geschrieben, dass es mir zuerst sehr schwer fiel, nicht einfach die gleichen, viel zu oft gehörten Floskeln in meinem Text zu wiederholen. Ich wollte etwas Neues erzählen. Etwas, was man so noch nicht gehört hatte. Viele Leute haben mich inzwischen gefragt, wie ich einen solch wunderbaren Song geschrieben habe. Sie sagen dann, dass dies wohl eine Sternstunde gewesen sein müsse.

Das muss es wohl gewesen sein, aber wenn ich mich an diesen Tag zurück erinnere, dann hatte ich zu keinem Zeitpunkt vor, einen Hit zu schreiben, noch spürte ich etwas Magisches oder Kosmisches daran. Es war schlicht und ergreifend bloss ein kleines Weihnachtsgeschenk für meine damalige Freundin und war von Anfang an nur als solches gedacht. Keiner hätte dem Song jemals eine allzugrosse Zukunft vorausgesagt, geschweige denn ihn jemals im Radio laufen lassen. Es war ganz einfach keine grosse Sache und keiner schenkte zu diesem Zeitpunkt dem Song mehr Bedeutung, als die, dass es ein kleines Liebeslied zu Weihnachten werden sollte. Ich legte mir damals bloss ein weisses Blatt Papier zurecht, nahm einen Bleistift zur Hand und liess meine Gedanken voll und ganz in dieses einzige Thema fliessen, während mich meine 3 Akkorde begleiteten. Alles, was ich in den letzten Jahren über die Liebe erfahren hatte, befreite ich nun von mir und dachte an alles Schöne, was die Liebe mir bereits geschenkt hatte. Und auch wenn sie einem das Herz brechen kann, ist sie im Grunde genommen trotzdem das Wunderbartse, was man im Leben erleben darf. Mit all diesen Gedanken begann ich zu schreiben…

nimm mich i arm & drück mich fescht a dich & la mi nummä los
ich tanke mich grad a dier uf, will’s eifach so guet tued
ich ha di gärn, ich bruchä dich, ja ich bi süchtig nach diär
doch garantiä chan ich diär keini gä, dass es für immer so wird si

ewigi liäbi, das wünsch ich diär
ewigi liäbi, das wünsch ich miär
ewigi liäbi, numä für üs zwei
ewigi liäbi, fühl mich bi dier dehäi

säg nid für immer & säg nid niä, probier mich eifach us
di blick hed igschlagä i mis härz, hesch mich zum brännä bracht
troffä vo dem stromstoss, wo so guet tued, würdi alles machä,
alles gä, alles für dich tuä, ich la dich nümmä los

ich weiss, liäbi chunnt & gad, wiene cherzä schmelzt sie wäg
ja, wienäs lied hört sie eifach uf oder sie haut eifach ab
niemmer seid, es sigi liecht, es isch es einzigs gäh & näh
s’git kei verlüürer oder gwünner i dem würfelschpiel…

Fertig! Das war’s! Ich fand, dass es dazu nicht mehr zu sagen gab. Ich las den Text nochmals durch und freute mich, dass alles drin war, was ich sagen wollte! Ich spürte eine grosse Befriedigung in mir und sang das ganze Lied ein paar Mal ganz durch. Ich konnte vor lauter Freude fast nicht genug davon kriegen und freute mich über das gelungene Geschenk. Es war vollbracht und mir fiel ein Stein vom Herzen.
Jetzt musste ich den Song nur noch auf Band bringen. Drei Telefonate später war auch diese Sache organisiert. Am 16. Dezember 1995 wurde der Song in Peter Lüssis Homestudio aufgenommen…

Patrik Bernhard 2008

Die Geschichte zu «ewigi liäbi» (DRS3)

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Aufgenommen im Jahre 2009 für DRS3 von Marco Liembd in Luzern